12.Fachdidaktisches Gespräch zur Informatik
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Was wir übersehen habenoderWer sich nicht bewegt, spürt seine Fesseln nicht.(aus einer Werbung von www.linuxhotel.de) |
Die Kommandozeile ist eine Möglichkeit, mit dem Computer zu interagieren. Es ist mitnichten so, dass alle Tätigkeiten sinnvoll ausschliesslich
mit der Alternative, der grafischen Oberfläche, ausgeführt werden können.
Manche Tätigkeiten lassen sich gar nicht oder nur schlecht mit der GUI ausführen.
Es ist auffällig, das immer wieder von Benutzern erwähnt wird, dass zumindest bei intensiver Nutzung des Computers die Kommandozeile
häufig Vorteile bietet. Dabei ist sicher richtig, das die Kommandozeile zu Beginn einen erhöhten Lernaufwand bedarf.
Dieser wird jedoch bei modernen Systemen durch mehrere Hilfsmöglichkeiten
reduziert.
Die Schule hat die Aufgabe, den Schüler zu befähigen, diese Form der Interaktion zu benutzen. Sie soll sicher
die GUI nicht ersetzen, aber sinnvoll ergänzen. Nur wenn die Schule die entsprechende Zeit zur Verfügung stellt, ist der
Schüler zukünftig in der Lage, eine sinnvolle Entscheidung der Interaktion mit dem Computer zu
treffen.
Dabei versteht es sich von selbst, dass die Kommanozeile in sinnvollen Lernumgebungen erarbeitet und genutzt wird und nicht nach dem Prinzip "Nun lernen
wir die Kommanozeile kennen" als Selbstzweck unterrichtet wird.
Automatisierung bedeutet hier im Wesentlichen die Wiederholung immer wieder derselben Vorgänge.
In vielen Fä llen ist die Programmierung einfacher Scripte z.B. in den Scriptsprachen der
Kommandozeilenumgebung der meisten Unix/Linuxsysteme (z.B. in der sogenannten Bash) das geeignete
Mittel. Häufig bieten für derartige Aufgaben grafische Oberflächen keine geeigneten
Mittel, da die Möglichkeiten von Automatisierungswünschen vielfältig sein können. Der unbedarfte Benutzer muss dann in einer solchen Umgebung
sich durch viele "Klicks" auf irgendwelche Buttons schmerzlich und manuell
behelfen.
Auch das sogenannte "komponentenbasierte" Programmieren ist auf diese Weise ideal realisierbar,
da in Scripten häufig vorhandene Betriebssystemkommandos u.a. mit ihren Parametern verbunden
werden.
Dabei ist es für den Schüler von Vorteil, auch die Programmierung ohne IDE kennen zu lernen
und zu praktizieren. Der Dreiklang "Editieren, Compilieren, Ausführen" wird dabei
elementar erfahren und nicht durch vielfältige Features in einer modernen
IDE verdeckt. Als Beispiele seien hier die Arbeit mit gcc und fpc genannt, die als freie Compiler
für viele Systeme vorhanden sind.
In den Unix-orientierten Betriebssystemen sind beide "Welten" -
Kommandozeile und grafische Oberfläche - ideal vereint. Man kann
problemlos nach Wunsch die Interaktionsart wechseln.
Da diese Systeme in der Zukunft weiter zunehmen werden und
aufgrund ihrer Ausgereiftheit seit über 30 Jahren auch ein nachhaltiges
Lernen ermöglichen, da wesentliche Änderungen der Bedienung in
Syntax, Semantik und Pragmatik nicht zu erwarten sind, ist es sinnvoll,
sich weitgehend auf diese Systeme zu beziehen.
Da es sich i. A. nicht um kommerzielle Produkte handelt, unterliegt man auch
nicht der Gefahr, in der Ausbildung zu einem verlängerten Arm bestimmter
Firmeninteressen zu werden. Ausserdem erhält jeder Schüler die
Möglichkeit, zu Hause eine entsprechende Arbeitsumgebung ohne
zusätzliche Kosten aufzubauen, was dem Gleichheitsgrundsatz
entspricht.
Dies ist dann auch eine sinnvolle Ergänzung zum derzeitigen EDCL,
der häufig zur konkreten Anwendungsschulung in einem proprietären
Betriebssystem einschliesslich seiner Mainstream-Anwendungen verkommt.
Die IT-Welt entwickelt sich immer mehr zu einer vernetzten Welt. Dabei
verschwinden immer mehr die Grenzen zwischen dem Gerät, vor dem ich
sitze, und dem "Rest der Welt". Schüler müssen erfahren,
dass ihr Monitor nicht zwingend Daten des zugehörigen Computers
repräsentiert.
Dazu ist ein Zugriff auf externe Computer per Telnet/FTP
und/oder mit dem sicheren SSH-Protokoll etc. nötig.
Ein Arbeiten auf der Kommandozeile bietet sich hier förmlich an,
da entweder auf den entfernten Computer keine grafische
Arbeitsmöglichkeit besteht (z. B. auf vielen Servern) oder sich
auch aus Bandbreitengründen nicht anbietet.
In der Software-Entwicklung gibt es ein unproblematisches Nebeneinander von kommerzieller Software und Open-Source - Software. Schüler müssen diese unterschiedlichen Systeme kennen und einschätzen können. Nur so können sie später als Privatmensch oder im Berufsumfeld Entscheidungen über die Anschaffung von Software fällen, die verschiedenste Gesichtspunkte berücksichtigt hat.
Aus den verschiedensten Gründen sind Standards im Bereich der Technik,
hier also IT, notwendig. Wir könnten uns beispielsweise nicht in
Netzen bewegen, günstige Hardware kaufen etc, wenn nicht auf den
verschiedensten Teilgebieten Normen und Standards vorgeschrieben sind,
an die sich alle halten.
In diesem Zusammenhang muss auch vermittelt werden, dass es neben den
staatlichen und überstaatlichen Normierungsbehörden im Internet
als Standardisierungsform die RFCs entstanden sind. Ohne
diese offenen Diskussionen und dann auch akzeptierten Festlegungen
müsten wir uns mit vielen inkompatiblen Lösungen wie z.B.
beim Messaging herumschlagen. Durch eine Akzeptanz dieses Systems auch
durch die heranwachsende Jugend kann dieses erfolgreiche Verfahren
erhalten werden. Hierzu muss die Schule einen Beitrag leisten.
Diese Thesen wurden auf der Tagung in Königstein vorgestellt und
anschliessend entsprechend der Diskussion überarbeitet.
Wer sich mit dem Zeitgeist vermählt,
(Eckard Minx, Daimler-Chrysler)
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Literatur:
Neal Stephenson:
Die Diktatur des schönen Scheins, 1999/2002, USA/München
Linux Torvalds:
Just for fun, 2001, München
Glyn Moody:
Die Software Rebellen, 2000/2001, USA/ Landsberg/Lech
Eric S. Raymond:
Die Kathedrale und der Basar, 1999
http://www.catb.org/~esr/writings/cathedral-bazaar/ (englisch)
http://www.selflinux.org/selflinux-devel/html/die_kathedrale_und_der_basar.html (deutsch)
Log IN Nr. 131/132 (zur komponentenbasierten Programmierung),
2005, Berlin
Siehe auch: Der Filemanager
Stand: 23. März 2005/11. September 2005